Nicht nur als Arzt, Therapeut und Trainer wird man immer wieder mit dem Thema Schmerzen konfrontiert. Auch im Alltag ist das Thema allgegenwärtig. Es besteht jedoch ein weit verbreitetes falsches Verständnis von Schmerzen. Dies führt nicht selten dazu, dass Schmerztherapien und – Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg mit sich bringen. Auch lässt sich durch ein falsches Schmerzverständnis der Schmerz verschlimmern oder ihn erst entstehen.

In diesem Beitrag werden die häufigsten Missverständnisse angesprochen und ins rechte Licht gerückt.

🚫 Schmerzen entstehen im Körper!

Das erste Missverständnis besagt, dass Schmerzen im Körper entstehen, und zwar in den häufigsten Fällen dort, wo ein Problem besteht. Somit wird Schmerz als Eingangssignal in unser Gehirn definiert. Dies ist nicht der Fall!

Schmerzen entstehen in unserem Gehirn, und zwar nur dort. Es gibt keinen Schmerz in Knie, Rücken, Schulter oder anderen Stellen im Körper.
Eine gewebliche Veränderung kann unser Gehirn jedoch dazu veranlassen, einen Schmerz zu erzeugen. Muss aber nicht.

Betrachten wir nun die allgemeine Annahme, dass Schmerzen ein „Eingangssignal“ in unser Gehirn sind. In diesem Zusammenhang wird dann von Schmerzrezeptoren gesprochen. Diese senden ein Signal an unser Gehirn, wodurch dann der Schmerz entsteht.

Das ist falsch!

Es gibt keine Schmerzrezeptoren. Es gibt verschiedene Rezeptoren im Körper. All diese Rezeptoren werden durch unterschiedliche Stimuli wie Druck, Temperatur, etc. stimuliert und senden diese Informationen an das Gehirn. Eine bestimmte Gruppe der Rezeptoren sind die Nozizeptoren, die eine strukturelle Veränderung oder potenzielle Schädigung des Gewebes als Information an das Gehirn senden. Ist diese Veränderung so groß, dass unser Gehirn sie als Gefahr ansieht, ist Schmerz eine mögliche Reaktion darauf. Dies basiert aber nicht ausschließlich auf der Information der Rezeptoren. Die Rezeptoren sind lediglich ein Bestandteil des gesamten Prozesses der Gefahreneinschätzung.
Ausschließlich unser Gehirn entscheidet, ob es Schmerzen gibt oder nicht. Somit sind Schmerzen eher als Ausgangssignal unseres Gehirns zu verstehen. Damit versucht unser Gehirn unsere Handlungen zu beeinflussen, um eventuelle Schäden zu vermeiden oder zu reduzieren.

🚫 Schmerzen gehen immer mit einer Verletzung einher!

Schmerzen können immer dann entstehen, wenn unser Gehirn der Meinung ist, dass wir uns in Gefahr befinden. Diese Gefahr kann von einer Gewebeschädigung ausgehen, beispielsweise wenn in einen Nagel getreten wird und dieser die Fußsohle beschädigt.
Das Gehirn kann dann der Meinung sein, dass ein beschädigter Fuß das Laufvermögen einschränken wird. Dies kann eine Gefahr darstellen. Beschädigte Haut kann Erreger leichter eindringen lassen und so eine Bedrohung für den Körper darstellen. Somit lässt das Gehirn Schmerzen im Fuß entstehen, um uns dazu aufzufordern, etwas gegen den Nagel oder die offene Wunde zu unternehmen.

Allerdings können auch Schmerzen entstehen, ohne dass eine Schädigung des Gewebes vorliegt. Dies geschieht dann, wenn das Gehirn der Meinung, dass man sich in Gefahr befindet. Das Gehirn nutzt Schmerzen, um unsere Handlung zu beeinflussen und wieder mehr Sicherheit zu gewinnen.
Tatsache ist, dass bei jeder Schmerzerfahrung viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen, aber ob etwas schmerzt oder nicht, entscheidet allein das Gehirn. Und dies gilt ausnahmslos für alle Fälle!

🚫 Je größer der Schmerz, umso schlimmer muss die Verletzung sein!

Auch hier entscheidet allein das Gehirn, wie stark die Schmerzen empfunden werden. Der oben beschriebene Nagel kann große Schmerzgefühle auslösen. Allerdings kann das Gehirn auch der Meinung sein, dass diese Verletzung im Moment gar nicht zu Schmerzen führen muss. Vielleicht wäre ein schmerzender Fuß akut hinderlich, da man sich auf der Flucht vor einem gefährlichen Tier befindet oder man kurz davor ist, einen Marathonlauf zu gewinnen. In solchen Fällen kann das Gehirn entscheiden, dass der Nagel nicht so gefährlich ist oder andere Ereignisse wichtiger sind.

Ein anderes Beispiel ist die Beobachtung, dass manche Menschen bei gravierenden Verletzungen keinen Schmerz verspüren, jedoch bei leichten Verletzungen in anderen Situationen enorme Schmerzen haben. Der Surfer beschreibt den Hai Biss, als er sein Bein verloren hat, nur als dumpfen Schlag, aber nicht als Schmerz. Für den Klavierspieler ist der Wespenstich im Finger ein extrem schmerzhaftes Erlebnis.
Schmerzen sind somit immer im Zusammenhang zu betrachten und ihre Intensität steht nicht zwangsläufig im direkten Verhältnis zum Ausmaß der Gewebeschädigung, wenn eine solche die Ursache ist.

🚫 Ohne Schmerzen kein Erfolg – No Pain, no Gain!

Die Annahme, dass Schmerzen auszuhalten sind, um ein positives Ergebnis zu erzielen, hält sich hartnäckig. Sei es beim Training oder in der Therapie.
Manche Trainer oder Therapeuten halten noch heute dazu an, Schmerzen auszuhalten, um eine Verbesserung der Leistung zu erzielen.

Wird beim Training oder in einer Behandlung ein Schmerz empfunden so sieht das Gehirn eine Gefahr und möchte den Körper dazu auffordern, die Handlung zu verändern. Wenn diese Aufforderung kontinuierlich ignoriert wird, wird sich das Gehirn etwas Anderes versuchen, um die Handlung zu ändern.

Dies kann dazu führen, dass die Leistung schlechter wird, statt besser. Auch eine Verschlimmerung oder Verlagerung der Schmerzen ist möglich.

Wie Schmerzen uns beeinflussen – Die häufigsten Missverständnisse

Schmerzen entstehen ausschließlich im Gehirn und sind als Handlungsaufforderung dessen zu verstehen. Fühlt sich unser Gehirn unsicher, kann es mit Schmerzen auf diese Situation reagieren. Sie sind daher ein Output und gehen nicht zwangsläufig mit einer Verletzung einher.

Warum für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung ein richtiges Verständnis von Schmerzen wichtig ist und weshalb man das Gehirn unbedingt mit einbeziehen muss, beschreibt Andreas Könings in der August Ausgabe 2021 der LeistungsLust.

Das Nervensystem als Auslöser für Schmerzen

In der Trainings- und Therapiewelt wird dem Nervensystem in Bezug auf Schmerz und Schmerzentstehung bisher meist zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei kann ein fehlendes Verständnis von neuronalen Zusammenhängen, Schmerzen verschlimmern oder gar erst entstehen lassen. Für Trainer und Therapeuten ist es daher entscheidend zu verstehen, wie Schmerzen entstehen und unser Nervensystem dazu beiträgt.

Wie unser Gehrin mit Schmerz erreichen will und wie unser Nervensystem Schmerz steuert , beschreibt Andreas Könings in der Oktober Ausgabe 2021 der ShapUP Business.

Einen Moment, ich bin gleich für dich da :-)

Autor: Andreas Könings

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