Ziel des Trainings ist es, die Belastungsintensität zu erhöhen, um so eine adaptive Reaktion hervorzurufen. Dazu ist es essentiell, sich aus der Komfortzone heraus zu bewegen. Diese Trainingsart bzw. -intensität führt jedoch ebenfalls zu einer Erhöhung der Stressfaktoren im Körper. Ein länger andauernder oder dauerhafter Stresszustand führt schnell in einen Status des Übertrainings oder der erhöhten Verletzungsgefahr. Ein gutes Training erkennt diese Faktoren und passt sich daran an.

Was führt zu einer Erhöhung des Stresslevels?

Jede Form von Belastung (Input), welche der Körper (bzw. das Nervensystem) als Bedrohung ansieht. Dies gilt nicht nur für Belastungen während des Trainings, sondern auch für jede Belastung, die im Alltag erlebt wird. Mögliche Stressfaktoren sind:

  • Zu wenig oder schlechter Schlaf

  • Falsche Atemmuster

  • Eine angespannte Beziehung (beruflich oder privat)

  • Diäten

  • Schlechte Ernährung (mangelnde Flüssigkeitszufuhr, Vitamine und Mineralien)

  • Ein anstrengender, stressiger Job

  • Künstliches Licht und/oder zu wenig natürliches Licht

  • Mangelhafte/schlecht ausgeprägte Bewegungskompetenz

Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Ein hohes Stresslevel beeinträchtigt nicht nur das Training sondern auch wiederum auch die Erholungsfähigkeit.

Tests vor und während des Trainings können dabei helfen, die aktuell optimale Trainingsbelastung zu bestimmen oder ob das geplante Training grundsätzlich sinnvoll ist. Sie unterstützen auch bei der Entscheidung, wann eine zusätzliche Regenerationseinheit nötig sein kann.

Trainingsbereitschaft des Kunden testen

Es gibt viele Möglichkeiten, die Trainingsverfassung der Athleten zu testen, wie z.B. die Herzfrequenz oder die Herzfrequenzvariabilität. Eine andere Möglichkeit ist die Überprüfung des Sehvermögens. Hierzu benötigt man kein zusätzliches Gerät oder Hilfsmittel, was vorteilhaft sein kann.

Das Testen des Sehvermögens wird oft nicht mit einbezogen. Das Sehvermögen spielt für Bewegungen eine große Bedeutung. Einschränkungen im Sehvermögen können daher die Bewegungsqualität negativ beeinflussen.
Hierbei geht es um die Testung spezifischer visueller Fähigkeiten. Eine dieser Fähigkeiten ist das periphere Sehen.

Stress und peripheres Sehen

Im Sport zeigt sich, wie ein beeinträchtigtes peripheres Sehen zu Verletzungen führen kann. Ein Fußballspieler muss in der Lage sein, während er sich auf den Ball fokussiert, seine Gegenspieler oder andere Ereignisse in seinem Umfeld optimal wahrzunehmen. Andernfalls läuft er Gefahr eines unvorhergesehenen Tacklings, welches in einer Verletzung enden kann. Dazu fand man heraus, dass sowohl Alltagsstressfaktoren, als auch potentiell stressige/hoch intensive Situationen im Sport, zu einer Verkleinerung des peripheren Sehfeldes führen.1 Ebenfalls zeigte sich, dass erhöhte Angstzustände zum Beispiel wie während der Simulation eines Autorennens, die Fähigkeit Informationen aus dem peripheren Sichtfeld aufzunehmen, verändert.2 Obwohl es sich hier um unterschiedliche Situationen handelt, bleibt die Schlussfolgerung gleich: Eine Erhöhung von Stress und „Angst“ führt zu einer Verkleinerung des Sichtfeldes und zur Verringerung der Fähigkeit Informationen aus der Peripherie wahrzunehmen.

Ein verkleinertes Sichtfeld kann daher ein guter Indikator sein, ob die Person akut oder allgemein gestresst ist. Es liefert uns nützliche Informationen, inwiefern unser Athlet bereit für das Training ist.

Wie lässt sich das periphere Sichtfeld testen?

Zu Beginn ist es wichtig, den Ist- Zustand des peripheren Sichtfeldes zu bestimmen. Dazu kann folgender (vereinfachter) Test genutzt werden:

  • 1

    Der Test sollte an mehreren aufeinander folgenden, trainingsfreien Tagen durchgeführt werden.

  • 2

    Der Athlet steht oder sitzt vor dem Trainer.

  • 3

    Der Athlet fixiert für die gesamte Testphase einen Punkt (z.B. die Nasenspitze des Trainers).

  • 4

    Der Trainer streckt seine Arme mittig rechts und links hinter den Kopf des Athleten und bewegt „Hasenohren“ mit Zeigen- und Mittelfinger. Wichtig ist, dass der Athlet die Finger zu Beginn nicht sehen kann. (Bild 1)

  • 5

    Dann winkt der Trainer mit den Fingern, während er seine Hände langsam zu sich heranzieht. Erst eine Hand, dann die andere (nicht gleichzeitig).

  • 6

    Sobald der Athlet die Finger sieht, sagt er „Stopp” und die Hand des Trainers bleibt stehen (Bild 2). Es kann sein, dass eine Seite deutlich früher erkannt wird als die andere.

  • 7

    Man notiert den Abstand zwischen den Ohren des Athleten und den Fingern (nach vorne zum Trainer hingesehen).

  • 8

    Nun ergibt sich ein Ausgangspunkt für das periphere Sichtfeld des Athleten.

Umsetzung im Training

Dieser Test wird vor jeder Trainingseinheit durchgeführt. Ist die periphere Sicht eingeschränkter als bei dem zuvor ermittelten Normalzustand, ist dies möglicherweise ein Indikator für einen erhöhten Stresszustand. In diesem Fall sollten zu Beginn Maßnahmen ergriffen werden, welche das Stresslevel reduzieren, bevor mit höheren Intensitäten gearbeitet wird.
Ist hingegen das periphere Sichtfeld besser als im Normalzustand, deutet dies auf ein reduziertes Stresslevel hin und höhere Trainingsintensitäten sind möglich.

Zusätzlich kann dieser Test Auskunft über die optimale Länge der Erholungspause zwischen den einzelnen Trainingsreizen geben. Dazu führt man den Test zwischen den Trainingssätzen durch. Sollte das Sichtfeld nach einem Trainingssatz noch nicht wieder zurück in der Ausgangslage sein, ist der Athlet noch immer in einem erhöhten Stresslevel. Dann ist es meist angebracht, ihm noch etwas Erholungszeit zu geben. Ist auch nach längerer Pause die Ausgangslage noch nicht erreicht, kann es ein guter Zeitpunkt sein, das Training zu beenden. Man widmet sich stattdessen einigen Regenerationsübungen. Dies können z.B. Mobilisations-, Augen- oder Atemübungen sein.

Es kann auch Zeiten geben, in denen der Athlet trotz eines erhöhten Stresszustandes weiter trainieren sollte. Zum Beispiel, um das Abrufen der gewünschten Performance in genau solchen Situationen zu trainieren. Allerdings muss dies immer mit Bedacht geschehen und gut geplant sein, um mögliche Verletzungen etc. zu vermeiden.

Fazit

Das periphere Sichtfeld als Test zur Bestimmung der Trainingsbereitschaft des Athleten zu nutzen, erfordert zu Beginn einige Erfahrung von Trainer und Athlet. Korrekt eingesetzt ist es jedoch eine schnelle und einfache Möglichkeit herauszufinden, ob der Athlet bereit für eine zusätzliche Intensität ist oder ob er momentan mehr von einer Regeneration profitiert.

Die visuelle Wahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle im Alltag und beim Sport. Sehen ist eine Fähigkeit, die sich aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammensetzt. Für das Abrufen des vollen körperlichen Leistungspotentials ist das visuelle System ein ausschlaggebender Faktor.

Einen Moment, ich bin gleich für dich da :-)

Autor: Andreas Könings

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