Das Thema Gleichgewichtstraining beschäftigt die Trainings- und Fitnesswelt auf den unterschiedlichsten Ebenen. Sowohl bei der Sturzprophylaxe in der Gerontologie als auch bei der Verbesserung sportartspezifischer Fertigkeiten von Spitzensportlern. Das Gleichgewichtstraining spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch auch für den Alltagsathleten kann ein Training des Gleichgewichtssystems zu einer verbesserten Leistung oder auch Schmerzreduktion führen.
Um nun das Gleichgewicht zu trainieren, werden meist Geräte wie Bosu-Bälle, Pads, Kissen und weitere Varianten von instabilen Untergründen benutzt. Doch wie viel Sinn macht das Training auf/ mit solchen Geräten im Zusammenhang mit der Gleichgewichtsverbesserung?

Dazu muss beleuchtet werden, wie unser Gleichgewichtssystem funktioniert.
Für ein gutes Gleichgewicht sind die eingehenden Informationen aus diesen drei Systemen relevant:

  • dem visuellen System (Augen)

  • dem vestibulären System (Innenohr)

  • dem propriozeptiven System (Rezeptoren, die u.a. Bewegungen und Lage, in Muskeln, Gelenken, Sehnen und auf der Haut aufnehmen)

Alle aus diesen Systemen kommenden Informationen werden dann im Gehirn (ZNS) integriert und verarbeitet. Somit ist ein Gleichgewichtstraining nur dann sinnvoll, wenn alle drei Systeme dabei angesprochen werden. Dies kann zu Beginn getrennt geschehen. Sollte aber letztendlich auch in Kombination durchgeführt werden, um eine Integration zu berücksichtigen.

Wie lassen sich die einzelnen Teilsysteme trainieren?

Das visuelle System wird trainiert, indem die Augen bewegt werden. Dies geschieht z.B. beim Verfolgen eines sich bewegenden Objekts mit den Augen (auf-ab/links-rechts/diagonal), wobei der Kopf in Ruhe bleibt (Pursuits).

Das vestibuläre System wird bei Kopfbewegungen (auf-ab/links-rechts/diagonal/vor-zurück) angesprochen. Dabei kann mit den Augen ein fester Punkt fixiert werden, sie in neutraler Stellung mitbewegen oder auch geschlossen halten. Hier lässt sich erkennen, dass diese beiden Systeme (visuell – vestibulär) eng miteinander verknüpft sind.

Um das propriozeptive System zu trainieren, kann die Fußposition verändert werden. So kann z.B. eine Schrittstellung eingenommen oder sich in den Einbeinstand begeben werden.

Ergibt es Sinn, instabile Untergründe zu verwenden?

Der Körper arbeitet so komplex und spezifisch, dass er nur in exakt der Bewegung besser wird, die auch trainiert wird (SAID Prinzip). Dies bedeutet für ein Training auf instabilen Untergründen: Es wird sich nur auf instabilen Untergründen verbessert! Ein Transfer in Alltagssituationen oder Sport bleibt meist aus. Ebenfalls wird beim Training auf instabilen Untergründen ausschließlich das propriozeptive System adressiert. Somit wird allenfalls eine Verbesserung der Propriozeption erreicht, welche allerdings nur einen kleinen Teil der Gleichgewichtsfähigkeit ausmacht.

Neurologisch betrachtet sieht dies wie folgt aus: 45% visuelles, 30% vestibuläres und 25% propriozeptives System. Ohne das visuelle und vestibuläre System im Training zu berücksichtigen, werden niemals 100% erreicht werden. Anders ausgedrückt: Es wird immer nur ein unzureichendes Training des Gleichgewichts erreicht.
Um ein wirklich effektives Gleichgewichtstraining zu erreichen, ist es unumgänglich, alle drei Systeme (visuell, vestibulär, propriozeptiv) zu trainieren und dies vor allem auch in Kombination. So könnte eine Trainingsübung für das Gleichgewicht aussehen:

  • Man stellt sich auf ein Bein und dreht den Kopf nach links und rechts, während man mit den Augen einen fixen Punkt an der Wand anschaut. Dabei sollte dieser Punkt immer klar und deutlich zu sehen bleiben.

Dies ist eine fortgeschrittene Variante.

Um dies zu vereinfachen lassen sich folgende Progressionen/Degressionen einbauen:

  • Liegend

  • Sitzend

  • zweibeiniger Stand (Füße weit)

  • zweibeiniger Stand (Füße eng)

  • leichter Ausfallschritt

  • Splitstand

  • Einbeinstand

Es lässt sich also festhalten, dass nur ein Training aller drei Systeme zu einer wirklichen Verbesserung des Gleichgewichts (Stabilität) führen kann!

Es ist nichts gegen das Training mit instabilen Untergründen einzuwenden. Es sind jedoch weder große Performanceverbesserungen im Alltag/Sport  noch eine Verbesserung des Gleichgewichtssystems zu erwarten.

Abschließend sei gesagt, dieses Training auf instabilen Untergründen nicht im Rahmen einer Wettkampfvorbereitung oder unmittelbar vor einem Leistungsabruf eingesetzt werden sollte. Das Training auf instabilen oder vibrierenden Untergründen kann häufig unmittelbar zu einer negativ Beeinflussung der Leistungsfähigkeit führen!

Einen Moment, ich bin gleich für dich da :-)

Autor: Andreas Könings

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